Wenn der Burnout erstmal kommt, ist es zu spät. Die Erholung von einem Burnout kann erfahrungsgemäß Jahre dauern und geht meist mit großen Umwälzungen in Berufs- und Privatleben einher. Das ist schmerzlich für die Person, die den Burnout erleidet und kostet das Unternehmen viel Geld, verursacht durch die Krankheit, die Arbeitsunfähigkeit und mögliche Wiedereingliederungskosten der betroffenen Person. Umso größer der Schaden, wenn eine Führungskraft davon betroffen ist, dann hängt wohlmöglich das Wohl einer ganzen Abteilung oder des Unternehmens davon ab. Nun muss man sich fragen, warum es überhaupt soweit kommen muss?
Es braucht dringend einen Sinneswandel in der Führungsriege.
Es ist selbst aus unternehmerischer Sicht mehr als verwunderlich, dass angesichts der hohen oft stressbedingten Personalausfälle, der Anzahl der Überstunden und der offensichtlichen Überlastung von Psychotherapeuten, immer noch kein signifikant wahrnehmbarer Sinneswandel in der Köpfen und Herzen der Führungskräfte, CEO’s und Firmeneigner eingesetzt hat. Viele Betriebsräte und HR-Manager mögen ihr Bestes geben, doch von grundlegenden Veränderungen in Richtung „die Gesundheit aller Mitarbeiter steht an erster Stelle, denn Ihre Kraft ist die Kraft des Unternehmens“ sind wir offenbar noch weit entfernt. Mindfulness (Achtsamkeit)-Konferenzen gibt es mittlerweile etliche auch in Deutschland. Das Wort "Achtsamkeit" liegt im Trend und etliche Coaches und Berater springen derzeit auf den Zug auf und wittern das schnell verdiente Geld. Meditation und Achtsamkeit ist ein Gebiet, auf dem es Jahre von Übung, Vertiefung und Führung durch erfahrene Meister braucht, bis man soweit ist, es auch selbst in aller Tiefe und Vielschichtigkeit vermitteln zu können. Das lernt man nicht in 2-3 Monaten Selbsthilfekurs.
Das Potenzial, das in dem Thema "Achtsamkeit in Unternehmensführung" liegt, wird aus meiner Sicht noch lange nicht voll genutzt oder weitgreifend angewendet. Das sind bisher nur Babyschritte, während die technologische Entwicklung und die Märkte mit Riesenschritten davonrennen… da klafft eine Lücke, die nur mit tiefgreifendem Hinterfragen und mutigen Veränderungen verkleinert werden kann. Die Wurzeln dieses Problems liegen tiefer. Da müssen wir ran. Immer wieder höre ich von Freunden und Bekannten das Gleiche, wenn ich nach dem aktuellen Stand des Betriebsklimas und der Stimmung der Mitarbeiter frage:
„Ja, wir machen schon viel in unserer Firma für unsere Mitarbeiter: Workshops zu Stressmanagement, Seminare, Vergünstigungen für Fitnessclubs, mal ein Yogakurs, Saft- und Salatbars, Ruhebereiche etc. … aber weißt du Sven, ehrlich gesagt, da ändert sich nicht wirklich was. Das flackert kurz auf, alle sind begeistert und dann geht doch alles wieder so weiter wie vorher und die Leute sind wieder krank, schnell gereizt und dauergestresst.“
Wer in 2018 immer noch glaubt, dass man mit dem Top-Down Model und einer Höher-Schneller-Weiter-Mentalität nachhaltig Gewinne erwirtschaften kann, ohne massiv Raubbau am Menschen zu betreiben, der sieht offenbar nicht oder will nicht sehen, welche Nebeneffekte unser Umgang mit unseren technologischen Errungenschaften und Social Media Nutzung auf unser Bewusstsein und soziales Wohlbefinden haben (dazu empfehle ich: The Distracted Mind- Ancient Brains in a High-Tech World, by Adam Gazzaley and Larry D. Rosen, 2016, MIT Press https://mitpress.mit.edu/distracted.).
Das gilt für alle Parteien gleichermaßen, für die Führungskraft, den CEO und den Angestellten. Das Zauberwort ist "Eigenverantwortung". Ohne bei sich selbst zu beginnen, und tatsächlich selbst Verantwortung zu übernehmen, werden Schmerzen weder geheilt, noch gelöst. Stattdessden werden Schmerzen oft betäubt, umverteilt und so weiter verbreitet. Wer es nicht schafft Eigenverantwortung zu übernehmen und sich selbst zum Innehalten zu bewegen, läuft Gefahr auszubrennen oder führte eben andere ins Feuer.
Die Mitarbeiter eines Unternehmens sind seine wichtigste Ressource. Alles steht und fällt mit Ihrer Kraft. Wenn ich als Chef permanent Druck ausübe, auf mich selbst und alle um mich herum, schaffe ich eine Arbeitsatmosphäre, die geprägt ist von Leistungsdruck, und dahinter verbirgt sich nichts anders als die existentielle Urangst und Furcht vor Versagen und Scheitern. Innovation und Kreativität haben so nicht den Hauch einer Chance. Es mangelt an Gelassenheit und der Kraft, Ruhe und Freude, die aus dieser Gelassenheit erwachsen kann. Dadurch geht sehr viel menschliche Lebensqualität verloren. Was nützt das gefüllte Konto, wenn ich abends mit Schnappatmung im Bett liege, und ich mich vor dem morgigen Meetingmarathon oder der Präsentation fürchte? Wollen wir wirklich so leben oder andere in so ein Leben führen?
In der Ruhe liegt die Kraft.
Achtsamkeitstraining und regelmäßiges, tägliches Meditieren ist wahrscheinlich die beste Vorsorge vor Stress und Burnout. Anhalten, langsam werden, tief und ruhig atmen, achtsam im Moment sein, einfach lauschen und zur Ruhe kommen in Körper und Geist. Einfach Menschsein, ohne Entertainment, Ablenkung und vorallem ohne Smartphone in der Hand. Meditieren bringt dich in Kontakt mit dir selbst und damit in Kontakt mit den Qualitäten deines Seins, die du im Stress nicht mehr voll wahrnehmen kannst: Ruhe, Vertrauen, Frieden, Mitgefühl, Kraft. Gerade wenn du oft gestresst bist, brauchst du das mehr als alles andere - und doch rennen die meisten vor sich selbst weg, empfinden das stille Sitzen als unangenehm und können nicht entspannen. Das geht auf lange Sicht niemals gut. Du bist nicht schlauer als dein Körper und der wird dir dann psychosomatische Signale senden und dich ggf. außer Gefecht setzen - du wirst krank, psyschisch oder physisch, meistens geht das zusammen.
Viele Menschen haben sich heutzutage leider schon an den permanenten Stresshormon-Überfluß gewöhnt. Bluthochdruck, Depression, Angstzustände, Reizbarkeit, Aufmerksamkeitsdefizit, schlechter Schlaf sind z.B. deutliche Zeichen, das der Stress schon chronisch geworden ist.
Regelmäßig, täglich für 20-30 min zu meditieren hilft mehr, als du dir vorstellen kannst. Die Neurowissenschaft belegt das neuerdings mit Studien. Nicht nur wird dein Blutdruck ganz von allein wieder runtergehen, und der Stresshormonausstoss wird gesenkt, du wirst über die Zeit auch lernen deiner Intuition (Bauchgefühl) mehr zu vertrauen, als dem ständigen, oft angstgesteuerten Gebrabbel in deinem Kopf:
"Ich bin nicht gut genug! Ich muss besser werden, mehr verdienen, mehr Anerkennung bekommen, sonst..." ... "Oh Gott, was mach ich nur, wenn ich den Job verliere...?"
Die Wissenschaft ist heute soweit, dass diese Thesen anhand von biometrischen Daten und den bildgebenden Verfahren der Neurowissenschaft gestützt werden kann – am Ende des Artikels finden sich einige Links mit mehr Informationen.
Wenn ich mit wachem Bewusstsein, gut ausgeschlafen und entspannt auf Arbeit komme und mich in einem Arbeitsumfeld bewegen kann, in dem alle sich gegenseitig respektieren, unterstützen und sich gemeinsam bemühen den Druck rauszunehmen und mehr Gelassenheit zu kultivieren (ggf. durch Achtsamkeits-/Meditationspraxis), dann werden auch Konfliktsituationen leichter zu lösen sein. Nein, das ist nicht utopisch. Alles was es braucht ist ein grundlegender Sinneswandel – die wissenschaftliche Faktenlage ist mittlerweile mehr als hinreichend überzeugend.
In einem Unternehmen das Gelassenheit, Respekt, Achtsamkeit, Empathie und Mitgefühl kultiviert wird es mehr Raum für Innovation, Freude, Humor und Kreativität geben. Aus dem einfachen Grund, das ein entspanntes, offenes und konzentriertes menschliches Bewusstsein schlichtweg kreativer und damit auch wesentlicher effektiver ist, als ein unter Druck stehendes, von Angst gesteuertes und von Stresshormonen überflutetes Nervensystem. Stress erzeugt nur noch mehr Stress. Die Neurowissenschaft zeigt, dass die Bereiche im menschlichen Gehirn, die bei Stress aktiviert werden, sich bei dauerhaftem Stress allmählich vergrößern, was das Empfinden von Stresszuständen nur noch verstärkt. Und es gibt nur ein dauerhaft gesundes Mittel dagegen:
Langsamer und achtsamer werden.