Im März ’79, Tomas Tranströmer (schwedischer Dichter)
Überdrüssig aller, die mit Wörtern, Wörtern,
aber keiner Sprache daherkommen,
fuhr ich zu der schneebedeckten Insel.
Das Wilde hat keine Wörter.
Die ungeschriebenen Seiten breiten sich nach allen Richtungen aus!
Ich stoße auf Spuren von Rehhufen im Schnee.
Sprache, aber keine Wörter.
Mit diesem Gedicht wäre schon alles gesagt und ich könnte hier eigentlich aufhören zu sprechen und sie in die Stille und sich selbst mit den Bildern überlassen. Bilder, die Sie als Besucher heute hier entdecken und staunend oder interessiert betrachten mögen, so wie „Rehhufen im Schnee“, von denen im Gedicht die Rede ist. Oder sie gehen durch die Ausstellung wie, als wäre es „ein Waldspaziergang, bei dem Sie Pilze finden“ oder wie als wäre es ein Tauchgang, auf dem Sie schnorchelnd die marine Vielfalt bestaunen. Ich denke, das wäre dem Künstler viel lieber als 10.000 schlaue Worte, denn…
Das Wilde hat keine Wörter.
Wörter auch in der Poesie, sind nur ein Deuten auf eine direkte Erfahrung, die wir als Menschen nur selbst machen können. Hingucken muss man schon selber! Ich kann Ihnen die Bilder von Herrn Sandner in ihrer Tiefe nicht erklären, aber ich kann zumindest mit ein paar Worten versuchen, etwas über diese Bilder mit Ihnen zu teilen, was ich in über 20 Jahren Freundschaft mit Herrn Sandner beobachten durfte:
Durch meinen Onkel den Künstler Paul Ghandi, hatte ich das Glück Sandner schon frühzeitig kennenzulernen, ich war vielleicht so 19 oder 20 Jahre alt und gerade selber aktiv im künstlerischen Schaffen. In Sandners Bildern und besonders seiner Grafik, sah ich etwas mir längst Vertrautes. Seitdem hat sich diese für mich immer wertvolle Freundschaft entwickelt und ich bin dankbar über diese vielen Jahre mit Sandner im Austausch sein zu dürfen. Dabei konnte ich auch seinen Weg als Mensch und Künstler begleiten und beobachten, und vielleicht möchte ich davon ein wenig sprechen, denn was sich hier in den letzten 20 Jahren und besonders in den letzten 10 Jahren ins Sandner künstlerischem Werk entwickelt hat, erfüllt mich immer wieder mit Erstaunen.
Es war 2019 als Sandner mir bei einem Besuch in Lauchhammer einen Gedichtband zeigte, aus dem wir uns gegenseitig vorlasen. Ebenjene Gedichtsammlung des schwedischen Dichters Tomas Tranströmer in der ich dann das Juwel entdeckte, das ich Ihnen gerade vorgelesen habe. Und tatsächlich war die Poesie immer etwas, das mich mit Sandner verband: Poesie, Kunst, Film, Musik, das ganze Leben… das Echte, das Unmittelbare, das Wilde. Unverfälscht, unangepasst, unbequem, uneingeschränkt und unvernünftig, dabei auch immer behutsam.
Sandners Bilder schöpfen aus dem Ganzen, dem ungetrennten Eins-Seins im Hier und Jetzt. Öfters haben wir still zusammen gesessen und einfach in die Natur geschaut, lange Spaziergänge durch Wald und Wiesen unternommen in Verbundenheit für die Schönheit der Natur, die uns umgibt und durch uns atmet. Lauschen und schauen in der Natur, das kann Sandner gut, und da kommen auch viele seine Bilder her: aus einer Verbundenheit mit der Natur, eine Natur, die wir selbst sind, mit den Wort des Poeten Gary Snyders:
„Die Natur ist kein Ort zum Besuchen. Sie ist unser zuhause.“ - Gary Snyder
Sandners Bilder sind für mich keine Bilder, die vom Intellekt gewollt, aus dem Kopf in die Hand gelenkt und dann auf die Leinwand projiziert werden. Vielmehr ist Sandner für mich persönlich einer der authentischen Künstler, die sich auf eine kindliche, humorvolle und geduldige Art einen Zugang zum unerklärlichen Mysterium des Seins bewahrt haben. Das kann man nicht denken, dass kann man nur erfühlen und staunen, denn….
Das Wilde hat keine Wörter.